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Ivan Fučík | October 22, 2015

Möglichkeit der Geltendmachung des steuerlichen Verlustes im Zuge der steuerlichen Prüfung — Änderung in der Rechtsprechung des Obersten Verwaltungsgerichts

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Das Oberste Verwaltungsgericht äußert sich nach der Einführung des neuen Steuergesetzes zu der Möglichkeit der Einreichung der zusätzlichen Steuererklärung im Zuge der steuerlichen Prüfung und zu der Möglichkeit in dieser Steuererklärung den Abzug des steuerlichen Verlustes geltend zu machen.

Um eine Vorstellung zu bekommen, beschreiben wir die Situation, mit der sich dieses Urteil beschäftigt:

In der Gesellschaft läuft eine steuerliche Prüfung für das Jahr 2014. Die Gesellschaft hat im Jahr 2014 einen Gewinn von 1 Mio. CZK erzielt. Angesichts dessen, dass die Gesellschaft in den vergangenen Jahren steuerliche Verluste erzielt hatte, hatte sie die Möglichkeit, in der Steuererklärung für das Jahr 2014 die steuerlichen Verluste der Vorjahre, die sich im angegebenen Fall auf 10 Mio. CZK beliefen, geltend zu machen. So hat die Gesellschaft 1 Mio. CZK von den kumulierten steuerlichen Verlusten der Vorjahre geltend gemacht. Im Zuge der steuerlichen Prüfung hat das Finanzamt eine zusätzliche Million Kronen bemessen. Der Gewinn der Gesellschaft beläuft sich daher auf 2 Mio. CZK, wobei die Frage ist, ob bei der zusätzlich bemessenen Million Kronen ein höherer steuerlicher Verlust der Vorjahre geltend gemacht werden kann.

Bisherige Rechtsprechung

In der Vergangenheit hat das Oberste Verwaltungsgericht schon ähnliche Fälle beurteilt, wobei es sich mit der Frage befasst hat, ob es möglich ist, zusätzlich einen steuerlichen Verlust geltend zu machen, und ob der Steuerverwalter gemäß § 16 Abs. 8 der Abgabenordnung (des Gesetzes über die Steuer- und Gebührenverwaltung) verpflichtet ist, in dem steuerlichen Verfahren einen steuerlichen Verlust der Vorjahre des Steuersubjekts als einen die Besteuerungsgrundlage mindernden Posten in Betracht nehmen muss, und zwar wenn das Steuersubjekt den Willen zur Geltendmachung des Verlustes erst im Zuge der steuerlichen Prüfung gezeigt hat.

Ein erweiterter Senat des Obersten Verwaltungsgerichts ist in seiner weiter zitierten Entscheidung (8 Afs 111/2005-106 vom 27. 3. 2007) zu dem Schluss gekommen, dass der steuerliche Verlust zusätzlich während der steuerlichen Prüfung nicht geltend gemacht werden darf, weil es gegen den Sinn der Durchführung der Prüfung wäre und es in der Tat die Verhinderung der Verhängung einer entsprechenden Sanktion seitens des Steuerverwalters bedeuten würde. Das Steuersubjekt kann dabei seinen Verlust auf eine rechtlich relevante Weise, in der Regel mittels einer Steuererklärung, geltend machen.  Es ist jedoch vorübergehend begrenzt, dieses Recht, und zwar vom Anfang bis zum Ende der steuerlichen Prüfung, auszuüben. Die zusätzliche Steuererklärung kann daher erst nach dem Ende der steuerlichen Prüfung, ggf. nach der Bemessung der letzten bekannten Steuerverpflichtung aufgrund der Feststellung der steuerlichen Prüfung, eingereicht werden. Das Steuersubjekt verliert so nicht die Möglichkeit, den steuerlichen Verlust geltend zu machen, allerdings, wenn ihm Zwangsgeld aufgrund der späten Geltendmachung des steuerlichen Verlusts entstanden ist, ist es verpflichtet, dieses Zwangsgeld zu bezahlen. 

Es kann zusammengefasst werden, dass, gemäß der früher geltenden Abgabenordnung (Gesetz über die Steuer- und Gebührenverwaltung) es möglich war, den steuerlichen Verlust im Rahmen eines sog. Vorwurfsverfahrens, eines Rechtsbehelfsverfahrens oder vor dem Anfang der steuerlichen Prüfung, und zwar aufgrund des gezeigten Willens des Steuersubjekts, d.h. vor dem Anfang der Durchführung selbst, geltend zu machen. Eine solche Auslegung hat in der Vergangenheit auch das Tschechische Verfassungsgericht bestätigt (II. VG-cz 166/01 vom 22. 1. 2002). Die Geltendmachung des steuerlichen Verlustes während der steuerlichen Prüfung war nicht möglich.

Rechtsprechung nach der Gültigkeit der Abgabenordnung

Ab 1.1.2011 ist die neue Abgabenordnung wirksam, und auch der rechtliche Status hat sich geändert.  Nach der e Abgabenordnung ist die steuerliche Prüfung unter den „Verfahren“ bei der steuerlichen Verwaltung eingeordnet. Es ist ein umfassendes Set von teilweisen Leistungen des Steuerverwalters, das eine selbständige Gesamtheit solcher Leistungen bildet, die während eines bestimmten laufenden steuerlichen Verfahrens durchgeführt werden können. Das steuerliche Verfahren ist dann ein Verfahren über eine Steuer für einen Besteuerungszeitraum in Bezug auf eine Gesellschaft. Das steuerliche Verfahren dauert während der ganzen Dauer der Steuerverpflichtung, d.h. während des Zeitraums, wenn die Steuer festgelegt werden kann, bis zu dem Zeitpunkt, wenn sie bezahlt wird, ggf. bis zum Zeitpunkt der Ausschlussfrist der Steuer, nach deren Ablauf die Steuer nicht mehr erhoben werden darf. Die steuerliche Prüfung kann jede Zeit während dieses Zeitraums durchgeführt werden, obwohl sie in der Regel im Verfahren über die zusätzliche Bemessung der Steuer durchgeführt wird. Die Prüfung kann allerdings gemäß dem Steuergesetz auch vor der ersten Bemessung der Steuer durchgeführt werden. Die bisherige Rechtsprechung hat zwischen dem Verfahren über die Bemessung und dem Verfahren über die zusätzliche Bemessung für die Zwecke der Geltendmachung des Abzugs des Verlustes unterschieden, was nun nicht mehr der Fall ist. Der andere Grund, der aus meiner Sicht unabdingbar ist, ist die neue Definition des Ziels der Steuerverwaltung, die lautet: die Steuer richtig feststellen und festlegen (auf der Ebene der die Prüfungsphase) und ihre Bezahlung sicher zu stellen (auf der Ebene der Zahlung). Im Gegensatz dazu war eines der Hauptziele der Steuerverwaltung, gemäß der Abgabenordnung, die Steuer so festzulegen und  zu erheben, dass die Steuereinnahmen des Staates nicht gekürzt wären.

Der Gegenstand des Rechtsstreits der Gesellschaft SEPES MEDIA spol. s r.o. war gerade die Möglichkeit der Geltendmachung des steuerlichen Verlustes. Die Gesellschaft SEPES MEDIA ist im Unterschied zum Steuerverwalter und dem Bezirksgericht der Meinung, dass der Verlust der Vorjahre sowohl im Rahmen der steuerlichen Prüfung, als auch im Rahmen des Berufungsverfahrens oder eines anderen Verfahrens, und zwar aufgrund des bestimmten gezeigten Willens des Steuersubjekts, geltend gemacht werden kann. Im Gegenteil, wenn der Steuerverwalter der Meinung ist, dass der steuerliche Verlust kein Umstand ist, den er gemäß § 16 Abs. 8 der Abgabenordnung verpflichtet zu berücksichtigen ist, weil es sich um einen fakultativen Posten handelt, den das Steuersubjekt auf die rechtlich relevante Weise, d.h. in der ordnungsmäßigen, ggf. in der zusätzlichen Steuererklärung geltend machen muss.

Das Oberste Verwaltungsgericht hat nicht der Meinung des Bezirksgerichts und des Steuerverwalters zugestimmt, obwohl sie mit seiner Rechtsprechung argumentierten, und zwar vor allem deswegen, weil der angegebene Streit schon während der Gültigkeit der neuen Abgabenordnung gelöst wurde. Angesichts dessen, dass die rechtliche Beziehung, auf der die oben genannte Rechtsprechung beruhte, in der beurteilten Sache unterschiedlich sei, dürfe man sich nicht mehr an dieser Rechtsprechung halten.

Die Abgabenordnung, gemäß der jetzt vorgegangen wird, bevorzugt bei der Festlegung der Steuern den Aspekt der materiellen Richtigkeit und nicht den Haushaltsaspekt. Zu der angegebenen Problematik hat sich das Oberste Verwaltungsgericht in der Rechtsprechung schon mehrmals geäußert, nach seiner Meinung erfolgt eine erhebliche Verschiebung, soweit es die Haftung des Steuerverwalters für den festgestellten Sachverhalt betrifft. Während es früher notwendig war, insbesondere die Kürzung der Einnahmen des Staates zu verhindern, muss jetzt der Steuerverwalter vor allem dafür sorgen, dass die Steuer rechtmäßig, d. h.  in richtiger Höhe bemessen wird. Er muss daher alle Tatsachen berücksichtigen, die für die richtige Festlegung der Steuer entscheidend sind, seien sie zu Gunsten oder zu Lasten des Steuersubjekts (5 Afs 83/2012-46 vom 23. 8. 2013).

Nach der Ansicht des Obersten Verwaltungsgerichts kann daher der steuerliche Verlust als ein abzugsfähiger Posten auch während der laufenden steuerlichen Prüfung, beispielsweise durch die Einreichung einer zusätzlichen Steuererklärung, geltend gemacht werden. Obwohl der Steuerverwalter die so eingereichte zusätzliche Steuererklärung als unzulässig betrachten muss, muss er im Falle einer Bemessung oder einer zusätzlichen Bemessung der Steuer gemäß § 141 Abs. 7 der Abgabenordnung die in dieser zusätzlichen Steuererklärung enthaltenen Angaben berücksichtigen, und dem Steuersubjekt ermöglichen, den steuerlichen Verlust geltend zu machen. Das Oberste Verwaltungsgericht hat so bestätigt, dass das Steuersubjekt berechtigt ist, den steuerlichen Verlust in dem Bemessungsverfahren, dessen Zweck die Festlegung der Steuer ist, in dem Verfahren über die zusätzliche Bemessung, die zum Zweck der Festlegung der Änderung der letzten bekannten Steuer geführt wird, und zwar auch im Rahmen der Vorgehensweise zur Beseitigung der Zweifel oder im Laufe der steuerlichen Prüfung und auch in dem Verfahren über den ordnungsmäßigen Rechtsbehelf gegen die in jedem der angeführten Verfahren getroffene Entscheidung, geltend zu machen. 

Obwohl dieses Urteil unter den Steuerverwaltern keine große Anerkennung hatte, ist es nur schwer vorstellbar, dass sie das vom Steuersubjekt ausgedrückte Recht auf die Anwendung des steuerlichen Verlustes bestreiten und dabei nach der gültigen Rechtsprechung vergehen könnten.