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Ivan Fučík | April 19, 2018

Ist die Tätigkeit des Geschäftsführers eine selbstständig durchgeführte wirtschaftliche Tätigkeit?

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Mit dieser Frage hat sich das Oberste Verwaltungsgericht (nachfolgend als OVG-cz) in seinem Urteil AZ 2 Afs 100/2016 vom 22. November 2016 befasst, wobei es sich damit befasst hat, ob eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung berechtigt war, einen Abzug von einer erhaltenen Leistung (in Form der Ausübung einer Funktion) von ihrem Geschäftsführer geltend zu machen. Es kam zu einer wichtigen Schlussfolgerung, die die meisten Handelsgesellschaften und auch der Gesetzgeber beachten sollten. Der Ausgangspunkt für diese Schlussfolgerung war die Auslegung der Begriffe „zur Steuer pflichtige Person“ und „die wirtschaftliche Tätigkeit“, und zwar aus der Perspektive der tschechischen Rechtsvorschrift und aus der Perspektive der übergeordneten EU-Vorschrift.

MwSt. und die wirtschaftliche Tätigkeit

Der erste Teil des Urteils befasst sich mit der Auslegung der Begriffe aus der Perspektive der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (nachfolgend als Richtlinie). Diese Perspektive wird durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU nachgewiesen. Im Absatz 20 werden ausgewählte Bestimmungen der Richtlinie zitiert:

"Die Richtlinie 2006/112/EG definiert im Titel III die Steuerpflichtigen. Gemäß dem Art. 9. Abs. 1 "Als „Steuerpflichtiger“ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt." Gemäß Absatz 2 derselben Bestimmung "Als „wirtschaftliche Tätigkeit“ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“. Gemäß dem Art. 10 der Richtlinie 2006/112/EG "Die selbstständige Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 schließt Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung aus, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft."

Um festzustellen, ob eine Person die wirtschaftliche Tätigkeit selbstständig durchführt, muss bestimmt werden, ob sie sich in einem untergeordneten Verhältnis gegenüber einer anderen Person befindet. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU (EuGH) muss angesichts des Bestehens dieses Verhältnisses überprüft werden, ob die jeweilige Person ihre Tätigkeit in eigenem Namen, auf ihre Rechnung und auf ihre Verantwortung durchführt, und auch, ob sie das mit der Durchführung dieser Tätigkeit verbundene Risiko trägt, ob sie frei die Bedingungen der Ausübung der Arbeit bestimmt und ob sie selbst das Honorar, das ihre Einnahmen bildet, kassiert.

Der Steuerpflichtige und die selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit stellen autonome Begriffe dar, die in allen Mitgliedstaaten einheitlich ausgelegt werden sollen. Gemäß dem EU-Recht werden von dem System der Mehrwertsteuer die Arbeitnehmer ausgenommen, die mit dem Arbeitgeber ein Arbeitsvertrag bindet und weitere Personen, die durch eine Verpflichtung, die ähnlich ist, wie ein Verhältnis des Arbeitnehmers aufgrund der Regelung der Arbeitsbedingungen, der Entlohnung und der Verantwortung des Arbeitgebers, gegenüber der überordneten Person gebunden sind.

Ein wichtiges Merkmal der selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit ist das Tragen des eigenen wirtschaftlichen Risikos und die eigene Verantwortung für einen Schaden.

Der zweite Teil des Urteils befasst sich mit der Natur der Tätigkeit des Geschäftsführers der Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach der tschechischen privatrechtlichen Regelung. Die Tätigkeit des Geschäftsführers ist insbesondere durch das Bürgerliche Gesetzbuch und durch das Gesetz über die Handelskörperschaften geregelt, aus denen folgt, dass dann, wenn der Geschäftsführer im Namen der Gesellschaft handelt, seine Handlung der Gesellschaft direkt zuzurechnen ist, der Gesellschaft entstehen Rechte und Verpflichtungen aus dieser Handlung und die Gesellschaft selbst haftet für die Handlung ihres Vertreters. Diese Aufzählung sollte jedoch nicht zur Schlussfolgerung reichen, dass das Verhältnis zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft ein arbeitsrechtliches Verhältnis oder ein ähnliches Verhältnis ist und dadurch der Art. 10 der Richtlinie angewandt werden kann. Es ist notwendig, auch weitere Merkmale der Ausübung der Tätigkeit des Geschäftsführers wie das Bestehen einer Unterordnung oder des Tragens eines selbstständigen wirtschaftlichen Risikos zu überprüfen.

Der Geschäftsführer muss im Rahmen seine Funktion mit Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handeln, d.h. mit der erforderlichen Loyalität, den Kenntnissen und der Sorgfalt und er trägt die Beweislast, dass er so handelt/handelte. Diese Verpflichtung kann sehr hart sein. Um sie ein wenig zu lindern, führt das Gesetz die sog. Regel der Auffassung als Unternehmer, die das Risiko der Haftung des Geschäftsführers für seine Handlung im Rahmen der Entscheidung als Unternehmer verringert, ein. Wenn der Geschäftsführer seine Pflicht verletzt und dadurch der Gesellschaft einen Schaden zuführt, ist er verpflichtet, ihr diesen Schaden zu ersetzen, und er haftet gleichzeitig gegenüber den Gläubigern für die Erfüllung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft, und zwar bis zur Höhe des nichtbezahlten Schadens, wenn dies die Ursache ist, warum die Gesellschaft den Forderungen deren Gläubiger nicht entgegenkommen kann.

Der Geschäftsführer haftet auch für die finanzielle Gesundheit der Gesellschaft. Wenn eine Entscheidung über die Insolvenz der Gesellschaft auf Antrag einer anderen Person als eines Gläubigers erlassen wird und nachgewiesen wird, dass diese Insolvenz das Ergebnis einer mangelhaften fachlichen Ausübung der Funktion des Geschäftsführer ist, der von der drohenden Insolvenz wusste oder wissen sollte, jedoch keine Gegenmaßnahmen unternahm, kann der Insolvenzverwalter den Geschäftsführer auffordern, dass er den Vorteil zurückgibt, den er aufgrund des Vertrags über die Ausübung der Funktion erhalten hat, und auch einen anderen Vorteil, den er von der Gesellschaft erhalten hat, und zwar rückwirkend bis zu zwei Jahren vor der Rechtskraft der Insolvenzentscheidung.

Das Gesetz über die Handelskörperschaften verbietet in die Geschäftsführung der Gesellschaft einzugreifen. Durch dieses Verbot stellt es ein großes Maß an Unabhängigkeit oder an Autonomie der Entscheidung bei der Ausübung der Funktion sicher.

Auf der Grundlage der genannten Fälle der Haftung des Geschäftsführers bei der Ausübung seiner Funktion ist es ersichtlich, dass er sein eigenes wirtschaftliches Risiko trägt, das nicht gering ist. Das Gesetz verlangt gleichzeitig, dass die Ausübung der Funktion des Geschäftsführers der Gesellschaft mit beschränkter Haftung unabhängig und nicht an Anweisungen gebunden ist, und daher besteht hier kein Verhältnis der Unterordnung des Geschäftsführers der Gesellschaft, wie es bei dem Verhältnis des Arbeitnehmers der Fall ist.

Aktivitäten des Geschäftsführers, die als abhängige Tätigkeit gemäß dem Einkommensteuergesetz besteuert werden, sind eine wirtschaftliche Tätigkeit gemäß dem tschechischen MwSt.-Gesetz (nachfolgend MwStG-cz)

Der dritte Teil des Urteils befasst sich mit der Übereinstimmung des MwStG-cz mit der Richtlinie, insbesondere des § 5 Abs. 2, der den Begriff wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des MwStG-cz Erläutert, und des Art. 10 der Richtlinie. Nach dem MwStG-cz ist keine selbstständig ausgeübte wirtschaftliche

Tätigkeit: „eine Tätigkeit der Arbeitnehmer oder anderer Personen, die einen Vertrag mit einem Arbeitgeber abgeschlossen haben, auf dessen Grundlage ein arbeitsrechtliches Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer entsteht, ggf. die Tätigkeiten von Personen, die als Einnahmen aus abhängiger Tätigkeit gemäß einer besonderen Rechtsvorschrift besteuert werden.“

Diese besondere Rechtsvorschrift ist das Gesetz Nr. 586/1992 Sb., Einkommensteuergesetz (nachfolgend als EstG-cz), das die Besteuerung der Einnahmen aus anhängiger Tätigkeit im § 6 EstG-cz regelt und das für seine Zwecke eine Rechtsfiktion einführt, dass die im § 6 EstG-cz definierten Einnahmen als Einnahmen aus abhängiger Tätigkeit betrachtet werden, obwohl es sich um Einnahmen aus einer Tätigkeit handelt, die gemäß § 2 des tschechischen Arbeitsgesetzbuchs nicht abhängig ist, handelt. Dies ist auch der Fall der Entlohnung des Geschäftsführers der Gesellschaft für die Ausübung seiner Funktion. Die Rechtsprechung des OVG-cz hat für diesen Fall festgelegt, dass nicht alle Einnahmen des Geschäftsführers, die er von der Gesellschaft erhält, gemäß § 6 EstG-cz besteuert werden. Die Einnahmen, die ihm für etwas anderes als die Ausübung seiner Funktion ausgezahlt werden und die sich nicht aus dem gesellschaftsrechtlichen Verhältnis, sondern aus dem Verhältnis eines Lieferanten und eines Abnehmers ergeben, werden gemäß § 6 EstG-cz nicht besteuert.

Konflikt des MwStG-cz mit dem EU-Recht

Für den Zweck der MwStG-cz hat das OVG-cz wie folgt entschieden. Die rechtliche Konstruktion der Entlohnung des Geschäftsführers, die für die Zwecke des EstG-cz legitim sein kann, kann jedoch nicht auf weiteres erweitert werden: „auf das System der Mehrwertsteuer, das auf der Ebene des EU-Rechts mit keiner Rechtsfiktion rechnet. Den Begriff des Steuerpflichtigen versteht es im erweiterten Sinne, und die Ausnahme, die für die Personen im Verhältnis eines Arbeitnehmers oder einem ähnlichen Verhältnis legt es in Bezug auf die Faktizität dessen Verhältnisses aus. Während die Richtlinie 2006/112/EG für die Zwecke der Ausnahme gemäß Art. 10 für entscheidend hält, ob hier tatsächlich ein Verhältnis zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber oder ein ähnliches Verhältnis besteht, legt der tschechische Gesetzgeber mit Verweis auf § 6 EStG-cz im letzten Satz des § 5 Abs. 2 MwStG-cz zusätzlich auch das Kriterium der Besteuerung mittels der Einkommensteuer fest. Die Richtlinie 2006/112/EG gibt den Mitgliedstaaten keine Möglichkeit, bei der Durchführung der Art. 9 oder 10 von deren Wortlaut abzuweichen und den in diesen Artikeln definierten Begriff des Steuerpflichtigen (bzw. Nichtpflichtigen) mit einem unterschiedlichen Inhalt, wie dies der tschechische Gesetzgeber macht, zu füllen. Dadurch, dass das MwStG-cz als Steuerpflichtigen die Person, deren Einnahmen als Einnahmen aus abhängiger Tätigkeit betrachtet werden, nicht ansieht, werden in einigen Fällen aus dem System der Mehrwertsteuer Personen ausgeschlossen, die ihre Tätigkeit nicht im arbeitsrechtlichen (oder ähnlichen) Verhältnis ausüben und die Risiken aus dieser Tätigkeit vollständig tragen, was im Widerspruch zum EU-Recht steht.“

Schlussfolgerung

Das Urteil hat den Fall damit geschlossen, dass eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der kein Anspruch auf den Abzug der Steuer anerkannt wurde, in ihren subjektiven Rechten gekürzt wurde, die für sie aus der Richtlinie folgen, da die Verpflichtung zur vorrangigen Anwendung des EU-Rechts vor dem tschechischen Recht dann, wenn das tschechische Gesetz im Widerspruch zum EU-Recht ist, nicht nur für Gerichte, sondern auch für alle Organe der öffentlichen Gewalt gilt (siehe den Beschluss des tschechischen Verfassungsgerichts vom 1.4.2004 AZ: ÚS 19/04).

In der Schlussfolgerung hat das OVG-cz daran erinnert: „dass die Richtlinie nur für den Mitgliedstaat, für den sie bestimmt ist, verbindlich ist, und dadurch keine Verpflichtungen, aber Rechte für Einzelpersonen begründen kann. Infolgedessen kann eine Einzelperson gegenüber einem Staat ihre

Rechte geltend machen, die ihr auf der Grundlage einer Richtlinie zustehen, die der Staat unzureichend oder fehlerhaft umgesetzt hat. Im Gegensatz dazu kann der Staat die Nichterfüllung seiner Verpflichtungen zu Lasten einer Einzelperson anwenden, keine Richtlinien an sich gegenüber der Einzelperson geltend machen und auf deren Grundlage keine Verpflichtungen auferlegen, die sie gemäß dem nationalen Recht nicht hat.“

Ivan Fučík