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Milan Kolář | January 13, 2017

Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts im langjährigen Streit des Tschechischen Rundfunks

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Der langjährige Streit zwischen der Berufungsfinanzdirektion und dem Tschechischen Rundfunk wird bald gelöst. Das Oberste Verwaltungsgericht in Brno (Brünn) erhielt eine Antwort des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) auf seine Frage  angesichts der Beurteilung des Gegenstands des Steuertatbestands im Falle der Rundfunkaussendung für die sog. Rundfunkgebühr.

Der Sinn und Zweck dieses Artikels besteht darin, den Leser mit dem rein tschechischen Streit vertraut zu machen, der die oberste europäische Gerichtsinstanz der Europäischen Union erreicht hat, den Standpunkt des EuGH zu präsentieren und nicht zuletzt auf die Dauer der Gerichtsverfahren hinzuweisen, die uns erwarten würden, wenn wir eine ähnliche Situation im Rechtsstreit mit dem Finanzamt erleben.

KERN DES STREITS

Der Gegenstand des Rechtsstreits ist die Bewertung der Tätigkeit des Tschechischen Rundfunks aus der Perspektive des Gesetzes Nr. 235/2004 Sb., Mehrwertsteuergesetz („MwSt.-Gesetz“). Diese Tätigkeit besteht in der Bereitstellung öffentlich-rechtlichen Rundfunkaussendung. Für diese Tätigkeit steht dem Tschechischen Rundfunk eine Vergütung zu, die in Form von Rundfunkgebühren bezahlt wird (in der Praxis werden sie üblicherweise Konzessionsgebühren genannt).

Diese Gebühren ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz über den Tschechischen Rundfunk bzw. das Gesetz über die Fernseh- und Rundfunkgebühren, wobei als Zahler dieser Gebühren jede natürliche oder juristische Person ist, die ein Eigentümer eines Radios ist.

Die Parteien des Rechtsstreits haben folgende unterschiedlichen Ansichten über die Beurteilung der oben genannten Tätigkeiten aus der Perspektive des MwSt.-Gesetzes geäußert.

  • Der Tschechische Rundfunk ist der Auffassung, dass die oben genannten Tätigkeiten nicht als Tätigkeiten angesehen werden können, die ein Gegenstand der Mehrwertsteuer sind. Das Hauptargument des Tschechischen Rundfunks ist die ständige Gerichtspraxis des EuGH, die als eines der Hauptkriterien des Steuertatbestands das Bestehen einer Rechtsbeziehung zwischen dem Erbringer der Leistung (d.h. dem Tschechischen Rundfunk) und dem Empfänger der Leistung (d.h. dem Hörer) und weiterhin die Tatsache, dass die erbrachte Dienstleistung und der erhaltene Gegenwert in einem direkten Zusammenhang stehen, betrachtet. Obwohl über die Freiwilligkeit und das Bestehen der Rechtsbeziehung und auch über den direkten Zusammenhang der Dienstleistung und dessen Gegenwerts gezweifelt werden kann (d. h. in einer Situation, wo die Gebühren zwischen dem Hörer und dem Tschechischen Rundfunk unmittelbar auf dem Gesetz basieren), ist der Tschechische Rundfunk der Auffassung, dass diese Tätigkeit kein Gegenstand der MwSt. ist.
  • Die Berufungsfinanzdirektion ist im Gegensatz dazu der Auffassung, dass die genannten Tätigkeiten mehrwertsteuerpflichtig sind. Das Hauptargument der Berufungsfinanzdirektion war die Bestimmung § 53 des Mehrwertsteuergesetzes, auf dessen Grundlage die Rundfunk- und Fernsehsendung von der Steuer ohne einen Abzug der MwSt. befreit wird.

Obwohl die oben genannten Meinungsverschiedenheiten auf den ersten Blick die gleiche Auswirkung haben können, sind beide Parteien der Auffassung, dass die genannte Leistung die MwSt. am Ausgang nicht enthält:

  • aus der Perspektive des Tschechischen Rundfunks handelt es sich um eine Leistung, die kein Gegenstand der MwSt. ist
  • aus der Perspektive der Berufungsfinanzdirektion handelt es sich um eine Leistung, die von der Steuer ohne einen Anspruch auf den Abzug der MwSt. befreit ist,

der Kern des Streits besteht in der Frage, die sich mit der eigentlichen Berechnung des Anspruchs auf den MwSt.-Abzug, der seitens des Tschechischen Rundfunks geltend gemacht wird, befasst.

Der Tschechische Rundfunk ist davon ausgegangen, dass seine Tätigkeit zwar eine Wirtschaftstätigkeit ist, jedoch ist sie kein Gegenstand der MwSt. (d.h. die Vergütung in Form von Konzessionsgebühren); daher kann dann diese Vergütung als keine befreite Leistung ohne einen Anspruch auf den Abzug der MwSt. am Eingang bei den zusammenhängenden Steuertatbeständen betrachtet werden. Daher entsteht für ihn auch keine Verpflichtung, den Anspruch auf den Abzug der MwSt. von den angenommenen Leistungen, die mit der Erbringung der Leistungen ohne einen Anspruch auf den Abzug zusammenhängen, zu kürzen.

Das Oberste Verwaltungsgericht hat, angesichts der anhaltenden Zweifel über die Tätigkeit des Tschechischen Rundfunks aus der Perspektive der MwSt., den EuGH um die Beantwortung der Vorabentscheidungsfrage gebeten, die an sich in der Beurteilung dessen besteht, ob die Aktivitäten des Tschechischen Rundfunks als nichtwirtschaftliche Aktivitäten, die kein Gegenstand der MwSt. sind, oder als Aktivitäten, die von der MwSt. ohne einen Anspruch auf den MwSt.-Abzug befreit werden, betrachtet werden können.

PERSPEKTIVE DES EUGH

Das EuGH ist im vorliegenden Urteil der gleichen Meinung wie der Tschechische Rundfunk, die auf der früheren ständigen Rechtsprechung des EuGH basierte.

Den Kern hat es bei der Beurteilung des genannten Rechtsstreits in der Tatsache gesehen, dass zwischen dem Tschechischen Rundfunk und den Zahlern der Rundfunkgebühr keine Rechtsbeziehung besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen erbracht würden oder ein direkter Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem erhaltenen Gegenwert bestehen würde. Im Rahmen der Erbringung dieser Dienstleistung werden der Tschechische Rundfunk und diese Zahler mit keiner vertraglichen Beziehung, keiner vertraglichen Vereinbarung über den Preis oder mit keiner Rechtsbeziehung, die freiwillig von einer der Parteien gegenüber der anderen übernommen wurde, gebunden.

Das Oberste Verwaltungsgericht hat auf der Grundlage der Entscheidung des EuGH zugunsten des Tschechischen Rundfunks entschieden, wobei er erklärte, dass die Aktivitäten der Rundfunksendung als keine Aktivitäten betrachtet werden können, die ein Gegenstand der MwSt. sind. In seinem Urteil hat es jedoch erklärt, dass die Erbringung der Dienstleistung einer öffentlichen Rundfunksendung im Umfang, der von den Rundfunkgebühren finanziert wird, als keine Wirtschaftstätigkeit betrachtet werden kann.

Es bleibt die Frage, in welcher Höhe und in welchem Umfang der Tschechische Rundfunk seinen Anspruch auf den Abzug der MwSt. in diesen Fällen geltend machen kann, d.h. in Situationen, in denen er Tätigkeiten, die kein Gegenstand der MwSt. sind, (Radiosendung) und Tätigkeiten, die kein Gegenstand der MwSt. sind (Werbesendungen), ausübt.

NACHTEILE DER DAUER DES GERICHTSSTREITS

In der obigen Zusammenfassung des Kerns des Rechtsstreits an sich haben wir uns absichtlich nicht mit der Dauer der einzelnen Berufungsverfahrens der Exekutive und der Judikative befasst, mit der wir uns im unteren Teil dieses Artikels getrennt befassen möchten.

Alles begann mit der Einreichung der nachträglichen Steuererklärungen für den ab Mai 2004 beginnenden Besteuerungszeitraum. Die Erklärungen hat der Tschechische Rundfunk unter anderem auf der Grundlage der Erlassung der Stellungnahme des Finanzministeriums vom 21. Juli 2005 eingereicht, in der das Ministerium die Auffassung, dass die Rundfunkgebühren keine Vergütung für Steuertatbestände seien, vertritt.

Diese zusätzlichen Erklärungen wurden jedoch vom Finanzamt, das neue Steuerbescheide erlassen hat, abgelehnt. Gegen diese Steuerbescheide hat der Tschechischen Rundfunk eine Berufung eingelegt. Die Berufungsfinanzdirektion (zu dieser Zeit die Finanzdirektion) hat jedoch die Steuerbescheide durch ihre Entscheidungen, die im März 2007 erlassen wurden, bestätigt.

Gegen diese Entscheidungen hat der Tschechischen Rundfunk eine Klage beim Stadtgericht Prag erhoben. Es gab in der Tat mehrere Klagen, wobei über die ersten Klagen das Stadtgericht im Juni 2009 entschieden hat. Das Stadtgericht hat in diesen ersten Entscheidungen zum Nachteil des Tschechischen Rundfunks entschieden und hat die Klagen abgewiesen.

Gegen diese Urteile hat der Tschechische Rundfunk eine Kassationsbeschwerde beim Obersten Verwaltungsgericht Brno eingelegt. Über die Kassationsbeschwerde wurde vom Obersten Verwaltungsgericht im Juni 2010 entschieden.

Das Oberste Verwaltungsgericht hat die Kassationsbeschwerde anerkannt, die Urteile des Stadtgerichts auf der Grundlage der Unüberprüfbarkeit und weiterer Verfahrensfehler aufgehoben und hat die Rechtssache zum weiteren Verfahren zurückverwiesen.

Das Verfahren vor dem Stadtgericht und das weitere Verfahren vor dem Obersten Verwaltungsgericht auf der Grundlage der Kassationsbeschwerde hat sich noch einmal mit dem gleichen Ergebnis wiederholt.

Erst im Juni 2014 hat das Stadtgericht eine Entscheidung zugunsten des Tschechischen Rundfunks erlassen (d. h. ein Urteil, im dem es die Auffassung vertrat, dass die Rundfunkgebühren als keine Leistung, die ein Gegenstand der Steuer ist, betrachtet werden können).

Gegen diese Entscheidung des Stadtgericht Prag hat jedoch auch die Generalfinanzdirektion eine Kassationsbeschwerde eingelegt. Das Oberste Verwaltungsgericht hat bereits bei dieser Kassationsbeschwerde im Dezember 2014 (d.h. fast zehn Jahre nach dem Entstehen des Streits in der jeweiligen Rechtssache) entschieden, das Verfahren auszusetzen und beim EuGH einen Antrag auf die Beurteilung der Vorabentscheidungsfrage einzureichen.

Im März 2016 hat der Generalanwalt seine Stellungnahme erlassen.

Im Juni 2016 hat das EuGH seine Entscheidung erlassen.

Im August 2016 hat das Oberste Verwaltungsgericht eine Entscheidung erlassen, in der er die Schlussfolgerungen des EuGH und die Auffassung des Tschechischen Rundfunks bestätigte. Das oberste Verwaltungsgericht hat jedoch betont, dass es notwendig sei, weiterhin zu beurteilen, in welcher Höhe der Abzug der MwSt. seitens des Tschechischen Rundfunks geltend gemacht werden könne.

Können wir weitere Klagen und eine Reihe von fraglichen Entscheidungen des Stadtgerichts, die im besseren Fall einige Jahre dauern können, erwarten?

Mit dieser Zusammenfassung wollten wir darauf hinweisen, dass es weiterhin eine traurige Tatsache ist, dass die Verteidigung der Rechte der Steuersubjekte mit jahrelangen Bemühungen, Rechtsunsicherheit, finanziellem Aufwand und der Unmöglichkeit, die steuerlichen Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit zuverlässig bewerten zu können, verbunden sein kann.

Wenn Sie sich für weitere Informationen angesichts dieses Themas interessieren, wenden Sie sich gern an den Verfasser dieses Artikels.