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| February 19, 2018

Das Oberste Verwaltungsgericht steht hinter dem Leuchtenhersteller

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Am zwölften Februar dieses Jahres hat das Oberste Verwaltungsgericht der Tschechischen Republik (nachfolgend „OVG-cz“) ein wichtiges Urteil für den Steuerbereich verkündet, das die breite Fachöffentlichkeit vom Stuhl gerissen hat.  

Das OVG-cz gibt nämlich der Gesellschaft Vyrtych a.s. mit Sitz in Židněves bei Mladá Boleslav Recht, die sich mit der Herstellung von Leuchten beschäftigt. Die Finanzverwaltung hat ihr wegen angeblicher Beteiligung an einer betrügerischen Kette den Anspruch auf Vorsteuerabzug nicht anerkannt. Das OVG-cz hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass es völlig unzulässig sei, dass das Finanzamt jedem in einer beliebig langen Kette eine Steuer auferlege oder sich auf den Steuerpflichtigen konzentriere, bei dem der Steuerertrag am leichtesten durchsetzbar ist.

Das OVG-cz hat mit seinem Urteilsspruch das Urteil vom Stadtgericht Prag aufgehoben. Seinen Angaben zufolge erfülle die Firma Vyrtych alle Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug. Im Gegenteil, die Finanzverwaltung hat nach Ansicht des Gerichts nicht ganz klar nachgewiesen, dass die Gesellschaft vom betrügerischen Verhalten wusste oder daran beteiligt war oder sich beim Geschäftsabschluss unovorsichtig verhielt.

Um den Zusammenhang zu verstehen, müssen wir vor ein paar Jahren zurückgehen. Im Jahr 2010 richtete der Gerichtshof der Europäischen Union eine Botschaft an alle Mitgliedstaaten zur wirksamen Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs (nachfolgend „MwSt.“).

Das Zeichen des Betrugs im Sinne der europäischen Rechtsprechung ist, dass einer der Beteiligten die Steuer nicht abführt und der andere sie abzieht. Nach Auffassung des Gerichts kann man jedoch für „einen“ und „anderen“ automatisch nicht „jeden“ Beteiligten in der Handelskette halten. Es ist immer notwendig, nach Verbindungen zwischen Steuerhinterziehung, Steuerabzug und dem Vorsatz über einen möglichen Betrug zu suchen.

Die Richterin Lenka Matyášová erklärte in der Urteilsbegründung: „Ansonsten würde man völlig unzulässig eine objektive Haftung für die Steuer jedes an der Handelskette beteiligten Unternehmens und eine Verantwortung für die Bewegung und das Schicksal der Waren begründen.“

Die Finanzverwaltung analysiert nun das Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts. Laut dem Urteil muss sie der Gesellschaft Vyrtych, die sie der Steuerhinterziehung verdächtigte, den  Mehrwertsteuerabzug (MwSt.) anerkennen. Im OVG-Urteil wird weiter angeführt, dass man die Überprüfung von Geschäftspartnern in einer Kette nicht uneingeschränkt erweitern und „extensiv folgern kann, dass es sich um eine endlose Kette von Personen handeln soll".

In den Urteilsgründen ist angeführt, dass nicht festgestellt wurde, dass das Unternehmen nicht in gutem Glauben handelte:

„Wenn bei einem bestimmten Kettenglied die Steuer nicht abgeführt wurde, kann der Anspruch auf Vorsteuerabzug nicht der Person abgelehnt werden, die in gutem Glauben steuerbare Umsätze erhält, ohne über die illegalen Praktiken eines anderen Zahlers oder Zahler zu wissen oder wissen zu können,“ steht im Urteil.

Aufgrund der konkreten Umstände des Falles kam das OVG-cz zu dem Schluss, dass dem Unternehmen das Recht auf Vorsteuerabzug nicht verweigert werden könne, da der Steuerverwalter keine ausreichenden Beweise für die bewusste Beteiligung des Steuerpflichtigen an betrügerischem Verhalten und Unvorsichtigkeit beim Geschäftsabschluss gesammelt habe.

Im Urteil ist weiter angeführt, dass:

„Aus den Verbindungen zwischen den beteiligten Parteien, wie sie sich aus dem Aktenmaterial ergeben, wurde nicht nachgewiesen, dass der Beschwerdeführer in dieser Hinsicht nicht in gutem Glauben handelte. Das Verhalten anderer Steuerpflichtigen, mit denen er keine handelsrechtlichen Verhältnisse begründet hat, kann ihm nicht zur Last gelegt werden.“

„Laut OVG-cz ist es nicht möglich, die Anforderung der europäischen Rechtsprechung bezüglich Überprüfung der Glaubwürdigkeit von Geschäftspartnern in der Kette extensiv und ohne Einschränkung zu erweitern.“

„Es wurde nicht nachgewiesen, dass der Beschwerdeführer nicht in gutem Glauben handelte.“

„Man kann nicht extensiv folgern, dass es sich um eine unendlich lange Kette von Personen handeln soll, wie weit die Kenntnis des Steuerpflichtigen, der den steuerbaren Umsatz ausgeführt hat, und seine „Vorsichtigkeit“ reichen sollte.“

Analyse der Rechtsprechung

Im Mittelpunkt des Streites bei dem genannten Urteil steht die rechtliche Regelung von Abzugsrecht, Grundsatz der Steuerneutralität, Rechtsmissbrauch sowie bewusster Beteiligung des Steuerpflichtigen an der betrügerischen Kette.

Das Recht auf Vorsteuerabzug ist in der Praxis

  • bedingt durch die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen oder
  • es wird abgelehnt, wenn der Anspruch betrügerisch oder missbräuchlich geltend gemacht wird.

Es war gerade die Beteiligung an einem Geschäftsvorgang, der durch einen Mehrwertsteuerbetrug belastet wird, die dem Beschwerdeführer von der Finanzverwaltung „zu Unrecht“ zugerechnet wurde.

Nach der Rechtsprechung kann der Vorsteuerabzug nicht anerkannt werden, wenn ein Mehrwertsteuerbetrug in der Warenkette vor der Auslieferung der Waren an den Beschwerdeführer begangen wurde und der Beschwerdeführer sich des Betrugs bewusst ist.

Die Lösung des Rechtsstreits bestand vor allem darin, den subjektiven Aspekt des Beschwerdeführers nachzuweisen, d.h. ob der Beschwerdeführer von dem betrügerischen Verhalten wusste oder davon wissen konnte, und in der Bewertung nicht standardmäßiger Geschäftsvorgänge, der sogenannten objektiven Umstände.

Das Stadtgericht hat dem Beschwerdeführer sein Vorgehen beim Erwerb des Entwicklungszentrums im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung zur Last gelegt. Er hielt es für ein unvorsichtiges Vorgehen, ohne eine angemessene Sorgfalt des ordentlichen Kaufmannes und  für eine absichtliche Nichtbeachtung außergewöhnlicher Umstände während eines Geschäftsfalls zwecks Mehrwertsteuerhinterziehung und Verletzung der Steuerneutralität.

Das OVG-cz hat die Entscheidung des Stadtgerichts aufgehoben.

Nach der Meinung des Gerichts:

  • müssen ein Mangel an gutem Glauben des Beschwerdeführers und objektive Umstände zweifelsfrei nachgewiesen werden
  • müssen Beweise logisch und in einem gegenseitigen Zusammenhang den Verdacht unlauteren Tatsachen bei dem Kauf von Vermögen belegen; und
  • darf die Beweiswürdigung nicht zielgerichtet durchgeführt werden, indem Beweise zu Lasten des Beschwerdeführers hervorgehoben und Beweise zu seinem Gunsten ganz außer Acht gelassen werden.

Laut Feststellungen des Obersten Verwaltungsgerichts kann der Beschwerdeführer nicht für die nachträglich aufgetretenen Tatsachen verantwortlich gemacht werden, man kann daraus keine mangelnde Vorsichtigkeit und Beweiswürdigung in Bezug auf den Sachverhalt folgern.

Das Gericht ist daher zu dem Schluss gelangt, dass im Rahmen der betrügerischen Handelskette stricto sensu für „einen“ und den „anderen“ nicht automatisch „jeder“ der Beteiligten in der Handelskette gehalten werden könne.

Bei betrügerischen Handlungen ist es immer notwendig, nach einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Steuerhinterziehung und dem Steuerabzug zu suchen und nachzuweisen, dass Fakten vorliegen, die auf betrügerisches Verhalten zum Zwecke des Steuerabzugs zwischen diesen Unternehmen hindeuten. Der Schutz der Zahlungen an den öffentlichen Haushalt ist zwar legitim, doch muss die Finanzverwaltung eine Reihe von Maßnahmen treffen, die im Einklang mit den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit den Zweck erfüllen.