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Veronika Odrobinová | Jan Nešpor | April 4, 2023

Keine biologischen und genetischen Daten von Angeklagten sammeln! Laut EuGH müssen dafür schwerwiegende Gründe vorliegen.

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Kernstück des vorliegenden Falls war die Vorfrage des spezialisierten Strafgerichts in Bulgarien. Das Gericht befasste sich mit einem Antrag einer bulgarischen Polizeibehörde, die Zwangsvollstreckung zur Sammlung biologischer und genetischer Daten einer Person zu genehmigen, die der Teilnahme an einer organisierten kriminellen Gruppe verdächtigt wird und sich weigerte, sich der Sammlung solcher Daten zu unterwerfen.

Der EuGH befasste sich dann mit mehreren Fragen im Zusammenhang mit der Einschränkung der nationalen Regulierung der Erhebung biologischer und genetischer Daten durch die Richtlinie Nr. 2016/680, zum Schutz natürlicher Personen im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten durch zuständige Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, zum freien Datenverkehr (im Folgenden als „Richtlinie“ bezeichnet). Das heißt, ob und wann die Behörden die Erhebung dieser Daten erzwingen können und wann sie im Gegenteil dazu nicht berechtigt sind.

Insbesondere geht es um Folgendes:

  • Kann eine nationale Verordnung einem Gericht erlauben, über die Zwangssammlung biologischer und genetischer Daten einer beschuldigten Person zu entscheiden, ohne dass das Gericht befugt ist, zu beurteilen, ob die beschuldigte Person eine Straftat begangen hat (bzw. ob ernsthafte Gründe zu der Annahme bestehen, dass sie eine Straftat begangen hat)?
  • Kann das nationale Recht die systematische Erhebung genetischer und biologischer Daten zu jedem Angeklagten zulassen?

Zur ersten Frage gelangte der EuGH zu dem Schluss, dass es nach dem Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz ausreicht, wenn das nationale Recht die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Erhebungspflicht gewährleistet. Das Gericht, das über die Bewilligung der Datenerhebung entscheidet, muss daher nicht nachweisen, dass schwerwiegende Gründe im Sinne von Art. 6 Buchst. a) der Verordnung vorliegen.
Mit anderen Worten, die nationale Regelung darf einem Gericht erlauben, über die erzwungene Sammlung biologischer und genetischer Daten zu entscheiden, muss es dem Betroffenen aber gleichzeitig ermöglichen, sich gegen einen solchen Zwang vor Gericht wirksam zu verteidigen.

In der zweiten Frage knüpfte der EuGH an die vorherige Stellungnahme und entschied, dass nationale Regelungen hingegen nicht ohne weiteres die systematische Erhebung genetischer und biologischer Daten zu jedem Verdächtigen bezüglich einer vorsätzlichen Straftat ermöglichen dürfen. Damit die zuständigen Behörden diese Daten erheben können, muss eine der Bedingungen in Artikel 6 der Richtlinie erfüllt sein, d.h., dass beispielsweise schwerwiegende Gründe für die Annahme bestehen, dass die beschuldigte Person die Straftat tatsächlich begangen hat. Jede Erhebung dieser Daten muss individuell bewertet werden und kann nicht als flächenhafte Erhebung von Daten zu jedem Verdächtigen ausgelegt werden.

Wenn Sie weitere Fragen zu diesem Thema haben, zögern Sie bitte nicht, uns zu kontaktieren.

Autor: Veronika Odrobinová, Jan Nešpor