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Veronika Odrobinová | April 18, 2023

Herabsetzung von Vertragsstrafen nach dem entscheidenden Urteil des Obersten Gerichts

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Vertragsstrafe – ein selbst juristischen Laien bekanntes Instrument, das viele Verträge begleitet. Gleichzeitig ist es ein Instrument, bei dem Missbrauchen droht. Eine hohe Vertragsstrafe kann unangemessen sein und im Extremfall bis zur Liquidation führen. Das tschechische Zivilgesetzbuch verankert für solche Fälle eine Mäßigung der Vertragsstrafe, die es dem Gericht ermöglicht, eine unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafe unter Berücksichtigung des Wertes und der Bedeutung der gesicherten Verpflichtung zu reduzieren[1].

Natürlich hat das Gericht nicht das uneingeschränkte Recht, die Höhe der Geldbuße nach Belieben zu ändern. Die Grenze ist die Höhe des Schadens, der in jedem Fall ersetzt werden muss. Im Rahmen des Paragraphenwortlauts des Gesetzes können Gerichte nur ausdrücklich definierte Kriterien – den Wert und die Bedeutung der gesicherten Verpflichtung – berücksichtigen. So kommen andere Umstände nicht ins Spiel, wie z.B. die persönlichen Vermögensverhältnisse des Schuldners bzw. Gläubigers oder die gesamte „emotionale“ Ausgewogenheit des Vertrages.

Die derzeitige Auffassung des beschriebenen Instruments wird durch die Entscheidung des Obersten Gerichts vom 11. Januar 2023, AZ. 31 Cdo 2273/2022, grundlegend geändert. Die Richter des Großen Senats des Zivilkollegiums stellten Folgendes fest: "das Gericht prüft nicht die Unangemessenheit der Vertragsstrafen-Klausel, sondern die Unangemessenheit des konkreten Vertragsstrafen-Anspruchs ". In der Praxis prüfen die Gerichte nicht mehr die Vereinbarung einer Vertragsstrafe, sondern die Unangemessenheit eines konkreten Anspruchs im Hinblick auf die Interessen der betroffenen Parteien.

Um den zitierten Gesetzessatz zu erfüllen und die Praxis der Vorinstanzen zu vereinheitlichen, hat das Oberste Gericht einen dreistufigen Test zur Beurteilung der Rechtskonformität von Vertragsstrafen eingeführt: 

  1. Das Gericht beurteilt die (präventive, vergütende/kompensatorische oder strafende) Funktion der vereinbarten Vertragsstrafe, nämlich nach ihrem tatsächlichen Inhalt [2].
  2. Darüber hinaus hat sich das Gericht mit konkreten Umständen zu befassen, die nicht nur zum Zeitpunkt der Aushandlung der Vertragsstrafe, sondern auch zum Zeitpunkt der Verletzung der Vertragspflicht oder auch später, falls ein Zusammenhang besteht, bestanden.
  3. Erst nach der Auswertung der in den vorangegangenen Schritten definierten Fragen erfolgt durch das Gericht eine Gesamtwürdigung der Angemessenheit der vereinbarten Vertragsstrafe.

Kommt das Gericht zum Schluss, dass die Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch ist, wird es diese auf eine angemessene Höhe, insbesondere im Hinblick auf ihre Funktion im konkreten Fall, herabsetzen. Vor allem der zweite Schritt bedeutet eine deutliche Abkehr von der bestehenden Rechtsprechung. Bisher wurden Höhe und Verhandlungsmodus der Vertragsstrafe im Rahmen der Überprüfung primär beurteilt, nachfolgende Umstände spielten keine Rolle. Gerichte werden nun auch die absehbaren Folgen einer Vertragsverletzung beurteilen und jeden Anspruch wirklich individuell und flexibel bewerten. Das heißt aber nicht, dass die Bußgeldermäßigung mit der neuen Rechtsprechung willkürlich erfolgen sollte – sie wird sich stets in den Grenzen der eingeführten Prüfung halten und bei gerecht ausgehandelten Vertragsbedingungen mehr Sicherheit betr. faire Bewertung für alle Parteien bringen.

Das Urteil geht in die sogenannte „Grüne Sammlung“ der wichtigsten Entscheidungen des Obersten Gerichts ein und ist ein Schritt zu einer genaueren Bewertung frei geschlossener vertraglicher Vereinbarungen. Gerichte müssen sich nicht mehr um eine allgemeine Beschreibung einer unangemessenen Regelung, sondern um eine Analyse eines ganz konkreten Anspruchs einzelner Schuldner und Gläubiger bemühen.

[1] § 2051 Gesetz Nr. 89/2012 Slg., Bürgerliches Gesetzbuch

[2] Die Auslegung der Funktion der Vertragsstrafe regelt sich lt. § 555 des Gesetzes Nr. 89/2012 Slg., Bürgerliches Gesetzbuch

Autor: Veronika Odrobinová, Adam Simota